Die Geschichte von Brock Lesnars Schwert | Wrestling Stories

In dieser Geschichte wird es Angst einflößend. Es wird immer Angst einflößend, wenn es um Brock Lesnar geht. Der WWE-Superstar wartet nicht nur in Suplex City auf seine Opfer, sondern ist auch abseits des Rings jemand, der uns alle genussvoll zerlegen könnte und dabei vermutlich auch noch einen Haufen Spaß dabei hätte. Acht Jahre lang ließ sich der genetische Freak nicht in der WWE sehen. Acht lange Jahre, in denen sich Brock Lesnar wohl überlegt haben muss, wie er noch zehn Mal mehr Angst einflößender werden kann. Hier ist die Geschichte von Brock Lesnars Schwerttattoo.

Herbst 2004. Der Mann, der zum Erobern geboren wurde, liegt am Boden. Alkohol, Schmerztabletten, Plan B gescheitert, Plan A nicht mehr möglich. Brock Lesnar wird menschlich. Er war „The Next Big Thing“, wurde höher gehandelt als die mit ihm debütierenden John Cena, Randy Orton und Batista. Ein enormes 250.000 Euro Festgehalt soll der junge Brock Lesnar von der WWE erhalten haben, nur damit er anfängt professionelles Wrestling zu erlernen. Nach seinem ersten Auftritt bei Raw nach Wrestlemania 18 dauerte es gerade einmal vier Monate, bis Lesnar The Rock vermöbeln durfte und zum damals jüngsten World-Champion der Company aufstieg. Lesnar hatte das Sports Entertainment erobert. Zeit für eine neue Challenge.

Zwei Jahre lang prägte Brock Lesnar eine neue Ära in der WWE. Dabei erkannte er zunehmend einen persönlichen Gegner, den er nicht so einfach per Tornado auf die Ringmatte schmettern konnte: Brock Lesnar kam nicht
mit dem prall gefüllten Terminkalender eines Topstars beim Marktführer zurecht. Ständig saß er im Flieger, überall wurde sein markantes rotes Gesicht verlangt. Lesnar lenkte sich mit Alkohol ab und bekämpfte wie so viele seiner Kollegen die ständigen Schmerzen mit Tabletten. Lesnar wollte raus aus seiner Hölle, um jeden Preis. Heute kann Lesnar alles von Vince McMahon fordern und kann sich alles rausnehmen. Damals war das anders. Er war
wütend. Er war gefährlich. 2004 unterschrieb Lesnar einen Auflösungsvertrag gegen sich selbst. Darin stand unter anderem, dass er frühestens 2010 wieder wrestlen werden dürfe.

Lesnar war das zunächst egal, ihn zog es leidenschaftlich in Richtung NFL zum American Football. Dann rammte ein Minivan sein Motorrad, gerade einmal ein Monat nach seinem letzten Match. Der Kiefer war gebrochen, die linke Hand auch, Eingeweide verschoben, der Football gestorben. Brock Lesnars Plan B funktionierte auf einmal nicht mehr und Menschen durch die Luft werfen durfte er auch nicht mehr. Er war an einem Scheidepunkt. Wirft er alles hin und lebt sein zurückgezogenes Leben als verbitterter Menschenfeind auf seiner Farm oder greift er noch einmal an und wird zum Beast? Ein Tattoo brachte die eindeutige Botschaft.

Brock Lesnar hatte schon lange drei markante Tattoos. Auf dem linken Oberarm lebt der Predator aus dem gleichnamigen Film, auf der rechten Seite ein Totenkopf. Der gesamte Rücken ist als riesige 80er-Jahre-Tätowierung gehalten. Ein großer Dämonenkopf mit enormen Zähnen scheint nicht freundlich gestimmt zu sein, zwei Hände mit Fleischerhaken tragen auch nicht gerade zu einer positiven Grundstimmung bei. Dieses Tattoo repräsentiert ganz klar Lesnars Persönlichkeit. Er ist der, den du zu fürchten hast. Ein Brock Lesnar nimmt keine Gefangenen. Unter dem Dämonenkopf steht „Kill ‚Em All“ geschrieben – „Töte sie alle“.

2012. RAW nach WrestleMania. 8 Jahre war Lesnar weg. Völlig überraschend attackiert er John Cena. Das WWE-Universum sieht zum ersten Mal die nicht mehr jungfräuliche Brust von Brock Lesnar. Das kurze, aber scharfe Schwert mit dem Knucklegrip geht vom Bauchnabel ganz hoch bis zur Kehle. Fast schon in die Kehle hinein. Brock Lesnar war Gerüchten zufolge betrunken, als er 2004 nach dem Motorradunfall ein Tattoostudio in Phoenix, Arizona betrat. Plan C stand fest, Lesnar wollte Japan erobern, er wollte am anderen Ende der Welt wrestlen. Vince McMahon verbot es ihm.

„Ich hab mich gefühlt, als würde mir das Leben ein Schwert direkt an die Kehle halten. Ich hab mich unter die Tätowiermaschine gelegt, weil ich niemals vergessen wollte, wie ich mich in diesem Moment gefühlt habe. Das Tattoo auf meiner Brust hat so viel Bedeutung für mich. Auf gewisse Weise ist es lustig, weil ich diese Phase meines Lebens eigentlich so sehr vergessen will. Aber ich weiß, dass ich diese Erinnerungen als Motivation nutzen kann.“, so Lesnar in seiner Autobiographie über das buchstäblich einschneidende Erlebnis in Phoenix. War das die Wende?

Kurz darauf begeht Lesnar Vertragsbruch und wandert trotzdem nach Japan aus. Dort wird er IWGP Heavyweight Champion. Brock Lesnar gelingt dies in seinem ersten Match dort. Der Rechtsstreit mit McMahon wird irgendwann beigelegt. Lesnar wechselt zur UFC, wird auch dort Schwergewichtschampion, diesmal in einem ungeskripteten Fight. Nach seinem Comeback in der WWE demontiert er John Cena beim SummerSlam 2014,
bricht die Wrestlemania-Streak des Undertakers und wird zum Universal Champion für 504 Tage. Es war die Wende.

Brock Lesnars Schwerttattoo ist ein wichtiger Bestandteil seines beruflichen, aber auch privaten Lebens. Dabei hat er es auf eindrucksvolle Weise geschafft, mit einem Tattoo noch mehr Energie und Gewalt als ohnehin schon zu versprühen und dabei gleichzeitig eine für ihn ungewöhnliche, tief emotionale und persönliche Botschaft an sich und die Welt zu übermitteln. Das Schwert steht nicht für Angriff. Es zeigt Lesnars wunden Punkt, seine Achillesferse. Achtet beim nächsten Brock-Lesnar-Kampf darauf, wie tief die Klinge tatsächlich in seiner Kehle steckt und ihr werdet das Beast mit anderen Augen sehen. Natürlich immer noch voller Angst.

PRODUKTION: Marcel Weber, Jonathan Guthy, Daniel Pein 

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