Muss man sich als Wrestling-Fan schämen?

Wrestling-Fans sind auch nur Menschen. Wir atmen alle die gleiche Luft, kochen auch nur mit Wasser und haben verschiedene Lebensgeschichten. Uns alle eint die Passion für einen Sport, der gerne mal vom Rest der Gesellschaft belächelt wird. Den manche gar als „fake“ bezeichnen. Der nicht nur, aber eben auch aufgrund vieler Skandale der Vergangenheit und schlechter Presse einen komplizierten Ruf hat. Dieses Video befasst sich mit der Frage, inwieweit man als Wrestling-Liebhaber in Deutschland heutzutage sozial akzeptiert wird. Wo steht Pro-Wrestling mittlerweile in der öffentlichen Wahrnehmung? Und warum?

Die Bekanntheit und Popularität von Wrestling steht und fällt hierzulande mit Fernsehausstrahlungen von regelmäßigen Shows. Der Monday Night War zwischen WCW und WWE sorgt für den letzten wirklichen Wrestling-Boom in Deutschland.

Für viele Zuschauer war diese Form der Unterhaltungskunst ein völlig neuartiges Phänomen und durch die intensive Konkurrenz zwischen WWF und WCW gab es auch eine entsprechende Qualität. Das durch und durch amerikanisch wirkende Pro-Wrestling mit seinen großen Bühnen undschillernden Gimmicks übte auf die vielen Deutschen eine ungeahnte Faszination aus.

So kam es, dass Pro-Wrestling in den 90ern ein massentaugliches Phänomen wurde, worüber man sich auf dem Schulhof, im Büro oder mit den Freunden durchaus unterhalten konnte. Fast jeder wusste damals, was Wrestling ist. Doch Trends kommen und gehen, der anfängliche Hype ums Pro-Wrestling wurde zu öffentlicher Skepsis.

Ob nun in den 90ern oder den mittleren 2000ern, als die Sender Tele 5 und Sport 1 durch TV-Rechte an WWE SmackDown für einen etwas kleineren, aber doch beachtlichen zweiten Boom sorgen konnten: Seit jeher gilt Wrestling als Show. Die einen sagen, es sei „doch nur Show“ und für andere ist es die größte Show ihres Lebens. Wieder andere halten Wrestling für eine gut gemachte Show und dann gibt es natürlich auch noch die, welche gar nichts von Shows an sich halten. Und vom Begriff der Show ist es dann meist auch nicht weit zum Kampfbegriff „Fake“, der die Salonfähigkeit des Pro-Wrestlings nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt merklich einschränkt.

Es steht hier natürlich außer Frage, dass zwischen „Fake“ und „geskriptet“ einige semantische Unterschiede liegen. Vielmehr stellt sich die Frage, wie stark verbreitet diese Auffassung heute eigentlich noch ist. Ein Beispiel: Ein Abend mit Freunden, der Fernseher läuft, beim zappen bleibt man bei Pro7Maxx hängen. Wrestling. Jetzt gibt es wahrscheinlich mindestens einen ambitionierten Sportexperten, der die Gruppe mit einer Weisheit bereichert: „Das ist doch eh alles nur gestellt“

Sinngemäß kennt diesen Spruch wahrscheinlich auch jeder, der sich für Wrestling begeistern kann und damit auch offen vor Freunden, Familie oder dem Partner umgeht. Eine gewisse Besserwisserei und das eher zaghafte Einlassen auf alles Neuartige oder Ungewohnte sind ja auch irgendwo „typisch deutsch“. Demnach liegt es wohl weniger am Pro-Wrestling an sich, sondern eher am schwierigen Status von Nischeninteressen generell, dass bestimmte Vorurteile aus den Deutschen Köpfen nicht verschwinden wollen.

Dennoch kennt wahrscheinlich jeder Wrestling-Fan ein gewisses Gefühl der Beklommenheit, wenn man zum Beispiel unangenehmen Kollegen oder bei einem Date von seinem Hobby erzählt. Neben der Fake-Debatte darf nun mal auch nicht vergessen werden, dass Pro-Wrestling ebenso wie zum Beispiel MMA ein sogenannter Combat-Sport ist. Es ist eine dargestellte gewaltsame Auseinandersetzung, bei der Menschen sehr hohen physischen Schaden nehmen. Im Pro-Wrestling sind das die Matches und im MMA die Kämpfe bzw. Fights. Nicht jeder Mensch kann es verstehen, wenn man sich offen dazu bekennt, regelmäßig seine Freizeit dafür zu opfern, sich choreografierte oder echte Kämpfe aus den Vereinigten Staaten meistens mitten in der Nacht anzugucken. Die Faszination für diese Art der Unterhaltung ist und bleibt eine Frage des eigenen Geschmacks, und über den lässt sich ja bekanntlich streiten.

Da vor allem aber die WWE es seit Jahren sehr gut schafft, ihre popkulturelle Bedeutung zu untermauern, scheint Pro-Wrestling in unserer modernen Zeit insgesamt etwas mehr akzeptiert zu sein als noch vor 20 Jahren – nicht zuletzt durch das Internet. Zahlreiche Memes mit Wrestling-Bezug (zum Beispiel der „RKO out of nowhere“ oder „It’s John Cena!!“) etablierten sich in den letzten Jahren in allen möglichen sozialen Netzwerken. Auch Auftritte von Promis bei WWE-Shows oder ein anstehendes WrestleMania-Wochenende erregen viel Aufmerksamkeit durch effektive PR-Arbeit von WWE

Ist Pro-Wrestling in den 2010ern Jahren also nun endlich wieder so ‚cool‘ wie in den späten 90ern? Die Antwort lautet: Nicht ganz. Durch den digitalen Wandel und das Aufwachsen einer Generation im Informationsüberfluss wirkt die Welt des Sports Entertainments nicht mehr so sonderlich wie früher, ist aber nach wie vor ein Nischengebiet.

Heutzutage sind vermeintlich nerdige Interessen nichts Ungewöhnliches mehr, deswegen ist Pro-Wrestling ein durchaus vorzeigbares Hobby. Dafür rechtfertigen muss man sich trotzdem. Mein Abschlusstipp: Bitte sagt nicht beim ersten Date, dass ihre Wrestling-Fans seid. Wenn sich jemand aber wirklich dafür interessiert, dann hilft meistens eine Erklärung der Faszination Wrestling. Genau das habe ich mit meiner Doku getan: Wenn ihr die noch nicht gesehen habt, dann schaut gerne jetzt rein.

1 Kommentar

  1. Alles sehr richtig. 🙂
    ich hab mir diesen „Müll“ schon leider zu oft anhören müssen und die meisten die das sagen sind auch viel zu borniert um sich einmal frei und vorurteilsfrei mit diesem Sport zu befassen…

    Irgendwo ist WWE meiner Meinung aber auch zum Teil selbst schuld weil viele Zusammenhänge nicht oder nicht ausreichend erkärt werden, hierzulande kaum Werbung gemacht wird, die Wrestling Kommentatoren allgemein sehr unkritisch sind und man den Leuten allgemein das Produkt viel zu wenig erklärt und nahebringt…

    Negatives wird auch allgmein totgeschwiegen wie z.B. ernsthafte Verletzungen sowas ist im Fussball völlig normal und gehört zum Sport den man ernstnehmen soll auch einfach dazu…

    Das ganze steht und fällt meiner Meinung aber auch mit der wirklich schlechten Verfügbarkeit im normalen, nicht Pay-TV Fernsehen

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