WWE in der Krise – Fehler, Ursachen, Lösungen (Brennpunkt Wrestling)

Das macht die WWE falsch

Unlogisches Booking. Schwache Champions mit bedeutungslosen Titelwechseln und immer wieder die gleichen Matches. Ungenutztes Potenzial bei Performern, die eigentlich auf Weltklasseniveau agieren können. 50/50 Booking und zum Funktionieren gebrachte Cliffhanger und Fantasie-Bookings, die letzten Endes nur ein enttäuschendes Ende finden.

Für alle diese Probleme ist es einfach, aktuelle Beispiele zu finden. Samoa Joe durfte beispielsweise Kofi Kingston um die WWE Championship beim Extreme Rules-PPV herausfordern. Und das, obwohl er bei Stomping Grounds, nur drei Wochen und eine PPV-Show zuvor, gegen Ricochet die United States Championship verloren hat. Ebenso haben bei diesem Event The New Day bestehend aus Big E und Xavier Woods ein Tag Team Match gegen Kevin Owens und Sami Zayn verloren. Also bekamen folgerichtig Big E und Xavier Woods eine Chance auf die SmackDown Tag Team Championship – warte, was?

Die Challenger um die einzelnen Championships qualifizieren sich also nicht durch eine beeindruckende Siegesserie, um sich eine Chance auf das Titelgold zu verdienen. Liegt aber auch daran, dass es nie zu einer Siegesserie kommt, da das 50/50-Booking allgegenwärtig scheint. Mit der aktuellen Anhäufung von 2 out of 3 Falls Matches wollte man eigentlich umgehen, dass Matches während Werbeunterbrechungen einfach weitergeführt werden müssen. Als Ergebnis erhielt man aber auf diese Weise nur 50/50-Booking im Verlauf einzelner Matches.

Die Hauptherausforderer sehen demnach nicht unbedingt gestärkt aus, wenn sie auf die Champions treffen. Also muss man kurzer Hand die Herausforderer über die Champions in Nicht-Titelmatches bei RAW oder SmackDown kurz vorm PPV triumphieren lassen, um sie als eine ernsthafte Konkurrenz darzustellen:

So datiert die letzte RAW-Ausgabe, bei der kein Champion durch Pin oder Aufgabe besiegt wurde, vom 13.Mai (Stand 25. Juli). Das sind zehn Episoden in Folge, an denen mindestens ein Champion besiegt wurde! Loser-Champions treten gegen Loser-Herausforderer an. Das Ziel dieses Vorgehens ist es sicherlich, Titelmatches somit besonders spannend zu gestalten, da ja beide Seiten in der Lage sind, ihren jeweiligen Gegner zu besiegen. Leider rutschen die Championships so aber nur weiter die Prestigeleiter hinunter. Da hilft es nur umso weniger, immer wieder die gleichen Matches sehen zu müssen. Wer hatte zum Beispiel ein großes Verlangen danach, Seth Rollins vs. Baron Corbin und Becky Lynch vs. Lacey Evans als Main-Event Szene bei RAW zu sehen? Nahezu keiner. Aber für eine kleine Fehde bis zum nächsten PPV als Übergangsgegner geht das schon in Ordnung. Rollins uns Lynch konnten auch beide ihre Titel verteidigen. Dennoch bekamen Corbin und Evans eine weitere Chance, nur um diese ebenfalls in den Sand zu setzen und um noch eine Chance zu bekommen. Seit ihrem großen Wrestlemania-Triumph Anfang April war Lacey Evans Becky Lynchs einziger Fehdengegner. Seth Rollins durfte seinen Titel wenigstens auch mal gegen AJ Styles in einem wirklich sehr sehenswerten Match bei Money in the Bank verteidigen, bevor die Matchserie mit Corbin startete. Den Titel verloren hat er letztlich an Mr. Money in the Bank Brock Lesnar. Diesen darf Rollins beim Summerslam herausfordern um seinen Titel zurück zu gewinnen.

Und mit diesem Match-Up lässt sich gut zeigen, dass Gelegenheiten für etwas Frisches ausgelassen werden und man immer wieder auf die gleichen Zugpferde setzt. So ist der aktuelle Stand Mitte Juli: Seth Rollins versucht den blöden Part-Timer Brock Lesnar die Universal Championship abzunehmen. Also befinden wir uns genau dort, wo wir uns Anfang des Jahres kurz vor Wrestlemania befanden. Alles was man dafür brauchte war der Money in the Bank-Koffergewinn von Lesnar und die langweilige Rollins-Corbin-Fehde. Anstatt einem jungen und aufstrebenden Superstar wie Ali, Andrade, Ricochet oder einem Fanliebling wie Finn Bálor den Briefcase in die Hand zu drücken, entschied man sich für Lesnar. Anstatt bei der RAW-Ausgabe nach Extreme Rules jemanden wie Cesaro, Sami Zayn, Rey Mysterio, Bobby Lashley oder Randy Orton, die Battle Royal gewinnen zu lassen, um jemanden Neues gegen Brock Lesnar antreten zu lassen, entschied man sich hier für Rollins – das gleiche Match wie bei Wrestlemania. Da gibt es doch Parallelen zum vergangenen Jahr, oder?

Roman Reigns gegen Brock Lesnar bei Wrestlemania und fünf Monate später nochmal beim Summerslam. Talentierte Leute wie Shelton Benjamin, Buddy Murphy, Rusev oder Cesaro werden dagegen wohl wieder vom Backstage-Bereich aus zu sehen müssen, wie sich die gleichen Leute immer wieder und wieder im Ring die Birne einschlagen. Und auch genau das ist ein ewiger Kritikpunkt der Fans. Bei NXT haben Leute wie Apollo Crews, Sami Zayn, Robert Roode, AoP und Andrade mit klasse Matches überzeugen können. Im Main-Roster sind sie meist nur Zuschauer oder tauschen zehn Minuten lang Rest-holds aus, nur damit deren Matchausgänge, egal ob Sieg oder Niederlage, am Ende eh keine Bedeutung haben. Am schlimmsten dabei ist aber wohl der Fakt, dass die WWE genau weiß, was sie tut. Die geskriptete Kevin Owens Pipebomb von der SmackDown-Ausgabe am 09. Juli beweist dies.

Eine Sache, die die WWE in den letzten Jahren aber par excellence ausgeführt hat, ist es, interessante Storys oder einzelne Pushs eines Superstars anzusetzen, und teilweise sogar Cliffhanger aufzubauen, bei denen am Ende aber nichts bei rumkam.

Aus Kurt Angles Geheimnis, welches seine Karriere erschüttern könnte, wurde am Ende der uneheliche Sohn Jason Jordan. Nicht nur eine enttäuschende Aufklärung nach großen Spekulationen, sondern auch viele ungeklärte Fragen. Wer ist die Mutter? Von wem hat Angle diese schockierende Nachrichten auf sein Smartphone zugesendet bekommen? Wieso hat Corey Graves diese Nachrichten ebenfalls erhalten? Dass Jason Jordans echter Vater schon mal vor WWE TV-Kameras, beim SmackDown Tag Team Titelsieg mit seinem ehemaligen Tag Team Partner Chad Gable, zu sehen war, wurde auch gekonnt wegignoriert.

Erinnert sich noch jemand daran, als Kevin Owens nach wiederholten Beat-Downs durch Braun Strowman und einer enttäuschenden Niederlage im Intercontinental Championship Match gegen Seth Rollins „I quit“ sagte und den Ring verließ? Das ist erst elf Monate her. Dass Kevin Owens die WWE nicht verlassen würde war zwar jeden klar, aber die Spekulationen liefen heiß. Wann kommt er wieder zurück? Wie kommt er wieder zurück? Und vor allem wo? Die Antwort gab es eine Woche später bei RAW. Das „I quit“ wurde nicht weiter aufgegriffen.

In einem öffentlichen Statement verkündete die WWE jetzt, dass von nun an Paul Heyman und Eric Bischoff die Geschehnisse von RAW und SmackDown leiten werden. Auch wenn weiterhin jede Entscheidung von Vince McMahon abgesegnet werden muss, so gibt es einen Hauch von Umbruch-Stimmung bei der WWE. Aber man kann es wohl keinem Skeptiker verübeln, auch hier nur wieder heiße Luft zu erwarten.

2 Kommentare

  1. Es ist ganz einfach. Keine gescripteten Promos, lasst die Wrestler ihren Scheiss im Ring machen und Tauscht jeden der die letzten 2 Jahre ständig im TV war gegen neue Frische Chars aus. Ah und Vince darf sich nicht mehr einmischen.

  2. So ziemlich der beste und differenzierteste Beitrag den ich bislang zu dieser Thematik lesen durfte. Wirklich guter Artikel!

    Die WWE hat meiner Meinung auch zusätzlich das Problem, dass sie keine besonders symphatische Außenwirkung als Unternehmen hat. Wenig Freizeit für die Angestellten, viele Skandale (Saudis z.B. ) und die Versuche Konkurrenz im Keim zu ersticken. Da fällt es noch viel leichter ein negatives Wort über die Shows zu verlieren. AEW wirkt dagegen natürlich wie das genaue Gegenteil.

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