FRAUEN IM WRESTLING | Der harte Weg an die Spitze

Sexuelle Übergriffe, Verbote, Skandale: Die Geschichte des Frauen-Wrestlings ist nicht rosig. Umso schöner, dass immer wieder Pionierinnen dafür kämpften, zwischen den Seilen Beachtung zu finden.

Wrestling – in diesem harten Geschäft geht es um Kraft, Schnelligkeit und absolute Brutalität. Ein reiner Männer-Sport, dachte man da lange. Für Frauen war vor gar nicht allzu langer Zeit bei Shows allerhöchstens der Posten als anreizende Ringbegleiterin reserviert. Heute stehen sie selbst im „Squared Circle“ und flößen jedem noch so skeptischen Kritiker Respekt ein. Frauen wie Trish Stratus, Beth Phoenix oder Becky Lynch stehen mittlerweile in der Beliebtheitsskala bei den Fans auf gleicher Stufe mit männlichen Wrestling-Topstars wie The Rock, Stone Cold Steve Austin oder John Cena. Aber das ist nicht einfach so passiert. Dahinter steckt eine über 60 Jahre lange Erfolgsgeschichte, die vielleicht noch lange nicht ihr Ende erreicht hat.

Frauen im Ring – das gibt es schon länger, als die meisten glauben. Schon im späten 19. Jahrhundert begannen Frauen auf Jahrmärkten oder im Zirkus neben Männern in den Ring zu steigen. Eine der ersten, bekannten Wrestlerinnen hieß Grace Hemmendinger. Sie war für eine Frau mit 1,82 Metern Körpergröße und einem Gewicht von rund 125 kg auch für die meisten Männer furchteinflößend. In den 1870er-Jahren holte sie Sieg um Sieg gegen Frauen UND Männer. Die damaligen Wrestling-Promoter rissen sich nun erstmals um eine Frau für ihre Veranstaltungen. Doch sie sollte nicht die einzige Wrestlerin bleiben, die sich einen Namen machte. Denn dann kam Minerva, mit bürgerlichem Namen Josephine Schauer Blatt. Sie gilt bis heute als erste Frau der Welt, die im Wrestling Gold gewinnen konnte- wenn auch nur einen eher unterklassigen Jahrmarkt-Titel im Jahr 1896. Erst stolze 17 Jahre später wurde ihr der Titel wieder abgenommen. Eine weitere Frau schrieb wenig später Geschichte, als Cora Livingston den Titel gewann und ihn für rekordverdächtige 22 Jahre hielt. Dann kam Billy Wolfe, ein amerikanischer Wrestling Promoter. Er war so fasziniert von den Frauen im Ring, dass er bald begann, weibliche Athletinnen in seine eigenen Shows zu booken. Nun standen immer öfter auch Frauen im Rampenlicht großer Events. Raus aus dem Zirkuszelt auf die große Bühne – ein erster Schritt in der „Womens Revolution“.

Bald kamen jedoch vermehrt Gerücht über Wolfe auf, der Promoter würde seine Wrestlerinnen vermehrt sexuell missbrauchen. Als einige wütende Frauen in den frühen 1950ern mit diesen Vorwürfen an die Öffentlichkeit gehen wollten, soll jedoch der einflussreiche Wolfe dafür gesorgt haben, dass alle Wrestlerinnen, die gegen ihn aussagen wollten, keine Anstellung mehr in der Wrestling-Welt fanden. So wurde zum Beispiel Mildred Burke, ebenfalls ein Opfer von Wolfe, nach ihrer Aussage gegen den Wrestling-Mogul von sämtlichen Promotern fallen gelassen und verschwand kurzzeitig in die Bedeutungslosigkeit. 1963 starb der umstrittene Wolfe, aber ein anderer Stern der Wrestling-Historie begann aufzusteigen: „The Fabolous Moolah“, eine ehemalige Schülerin beim verstorbenen Wolfe, veränderte mit ihrem Einstieg in den Showsport auch den Stil des Frauen-Wrestlings. Der athletische, fast tänzerische Stil, den Frauen die Jahre zuvor etabliert hatten, wich einer härteren und brutaleren Variante.

Die Entwicklung in den USA ließ auch den Rest der Welt nicht lange kalt. In Japan wurden bald vereinzelt Shows mit Frauen veranstaltet, so richtig wollte das Frauen-Wrestling in Asien aber erst nicht ankommen. Bis Mildred Burke, die ehemalige Schülerin von Billy Wolfe, ab 1954 nach Japan ging, um dort aufzutreten. Ihre Präsenz trieb auch viele Japanerinnen zu den Shows, die von Burkes Stil und ihrer Präsenz beeindruckt waren. Sie wollten das auch können.1968 wurde die „All Japan Women‘s Pro Wrestling Corporation“ gegründet, die in Japan ein großer Erfolg wurde. In der Zwischenzeit wurde das Frauen-Wrestling auch in den USA wieder größer, weshalb Mildred Burke wieder in ihre Heimat zurückkehrte und dort die World Womens Wrestling Association gründete. Bald kam es zu einigen „Crossover-Events“ zwischen der amerikanischen WWWA und der japanischen Company, ein Zeichen der gegenseitigen Dankbarkeit zwischen Japan und der einflussreichen Mildred Burke. Über die nächsten Jahre entstanden in Japan internationale, weibliche Wrestling-Legenden.

In Mexiko gab es Frauen im Wrestling-Ring schon seit den 1930ern. Allerdings waren die meistens Gäste aus Amerika, die nur für ein oder zwei Auftritte vorbeischauten. Ab den 50ern stiegen dann auch die ersten einheimischen Wrestlerinnen in den „Sqared Circle“. 1955 wurde dann erstmals die Mexikanerin „La Dama Enmascarada“ im eigenen Land Titelträgerin. Aber die Freude hielt nicht lange. 1960 verbot die mexikanische Regierung Frauen-Wrestling, da sie es als „unsittlich“ betrachteten. Erst 1986 wurde dieses Verbot wieder aufgehoben. Seitdem gibt es neben dem nationalen Frauen-Wrestling-Titel in Mexiko noch Versionen des Gürtels von CMLL und der AAA, aber der alte, nationale Frauentitel hat in Mexiko immer noch die größte Bedeutung.

In den USA entwickelte sich der anfängliche Hype ums Frauen-Wrestling derweil langsam zur Nebensache. 1980 rutschte der damalige Star des Frauen-Wrestlings, „The Fabolous Moolah“, in die WWF, der größten Promotion in Amerika. In der späteren WWE wurde ab jetzt vorsichtig mit Frauen-Wrestling experimentiert. Stars wie Wendi Richter konnten auf der ganz großen Bühne aber nicht überzeugen. Um die 90er Jahre wurde die Women‘s Division langsam wieder abgebaut und der dazugehörige Titel deaktiviert. Es gab danach immer wieder vorsichtige Versuche für einen Frauen-Neustart in der WWF. Frauen wie Sable, Ivory und Terri Runnels legten dann tatsächlich den Grundstein für einen Durchbruch der Frauen in der World Wrestling Federation. In den frühen 2000er-Jahren waren sogar Frauen im Main Event von Raw oder Smackdown keine Seltenheit. Ein paar Jahre später machte die WWE, die sich mittlerweile umbenannt hatte, diesen kleinen Erfolg für die Frauen wieder kaputt. Sie stellten lieber professionelle Models statt passionierten Kämpferinnen an. 2008 folgte die Einführung der „WWE Divas Championship“. Die Frauen hatten sich jetzt zwar im WWE-TV etabliert, rückten aber nach kurzem Wirbel wieder ins zweite Glied. Die frühen 2000er brachten den Frauen neben der WWE noch andere potentielle Arbeitgeber vor die Nase. In dieser Zeit waren Independent-Promotions wie Impact Wrestling oder Ring of Honor besonders im Trend. Eine Firma ließ aber besondere Durchbruchshoffnungen in den Wrestling-Frauen dieser Zeit aufkeimen: „Shimmer Womens Athletes“. Gegründet von der ehemaligen IWA Mid-South-Größe Dave Prazak und Ex-Ring of Honor-Wrestlerin Allison Danger und ab jetzt Anlaufstelle für junge, hoffnungsvolle Wrestlerinnen aus der ganzen Welt. Unter anderem Sarah Stock, heute Trainerin im WWE PC, und Mercedes Martinez kamen damals hier unter. Auch die Karrieren von heutigen Veteraninnen wie Bayley oder Asuka wurden maßgeblich von Shimmer geprägt. Bis heute ist sie für junge Wrestlerinnen die erste Haltestelle auf dem Weg zum Erfolg.

Eine Revolution für das Frauen-Wrestling stellte auch die Gründung der „Knockouts-Division“ bei TNA dar. Mit Stars wie Gail Kim. Awesome Kong oder Velvet Sky bauten sie ein Produkt, in dem Frauen-Wrestling endgültig mehr war als eine nette Randnotiz. Die Fehde zwischen Gail Kim und Awesome Kong aus der Mitte der 2000er ist nur ein Beweis für die tolle Arbeit die dort geleistet wurde. Für jeden Wrestling-Fan ein Muss! Die Knockouts-Division hat bis heute Bestand und steht wie keine zweite für den Aufstieg des Frauen-Wrestlings

Der Krieg der Frauen, die sich über die letzten 70 Jahre einen Platz in der Wrestling-Welt mehr als verdient erkämpft haben, war lang und hart. Aber heute sehen wir: Es hat sich gelohnt. Frauen sind aus dem Wrestling nicht mehr wegzudenken. Sie stehen in Main-Events, sie liefern uns Kämpfe die uns nostalgisch werden lassen. Die letzten 70 Jahre haben gezeigt, dass für diese Powerfrauen alles möglich ist. Sogar gefeierte Auftritte im eher konservativen Saudi-Arabien. Der Krieg hat sich gelohnt. Manche behaupten, eine Women‘s Revolution hätte es gar nicht oder nur in der WWE gegeben, aber seien wir mal ehrlich: Es war ein Krieg, der ewige Jahre gedauert hat. Und vielleicht hat diese Erfolgsgeschichte ihr Ende noch gar nicht erreicht.

Produktion: Paul Antwerpes, Jonathan Guthy, Lucas Grabowsky

Ersten Kommentar schreiben

Dein Kommentar: