CM Punk und sein bitterer WWE Abgang | Wrestling Stories

So wird uns Wrestlingfans CM Punk immer in Erinnerung bleiben, als „Voice of the Voiceless“, der für uns den Prototype John Cena besiegt hat und nebenbei eins der besten WWE-Matches aller Zeiten zaubern durfte. Seine Pipebomb inspiriert Indie-Wrestler noch heute, seine 434-tägige Titelregentschaft war in der modernen Zeit einzigartig. Seit Januar 2014 ist CM Punk nun schon nicht mehr in den Ring gestiegen und seitdem vergeht kein Tag, ohne dass irgendeine Quelle im Internet über sein Comeback spekuliert. CM Punk ist weg, aber sein triumphales Bild von 2011 bleibt. Ein Bild, das ihn als unsere Ikone zeigt. Als eine dieser Ikonen, die er immer verachtet und bekämpft hat. Musste er deshalb am Ende gehen? Hindert ihn diese Überzeugung am größten Comeback, das das Wrestling-Internet je erlebt hat? Hier ist seine Geschichte.

Damals in der Schule gab es diesen merkwürdigen Geek, der immer aneckte und von vielen gemieden wurde. Der hörte den ganzen Tag Punk-Rock, las Unmengen an Comicheften, aber war irgendwie cool, weil er im Garten einen waschechten Wrestlingring hatte. Die Leute aus der Gegend kamen erstaunlich gerne zu Phil Brooks und seinen Freunden, um sich die Shows der Lunatic Wrestling Federation anzusehen und ihr Geld bei den jungen Talenten zu lassen. Damit war aber plötzlich Schluss, nachdem Punks Bruder Mike eben jenes Geld vor der Gruppe unterschlagen hatte und so das Ende der LWF besiegelte. Phil konnte einen solchen Verrat an der eigenen Ehre nicht ertragen und hat bis heute keinen Kontakt mehr zu Mike. Brooks zog von dannen und sollte als CM Punk die Wrestlinglandschaft schnell in seinen Bann ziehen.

Seine Leidenschaft, sein Können und nicht zuletzt auch sein starker Charakter brachten Punk schließlich im Jahr 2005 erst zu Ohio Valley Wrestling, dann in die mittlerweile unter WWE-Brand vermarktete ECW. Hier performten zu der Zeit die Talente, die irgendwo untergebracht werden mussten und für Raw und Smackdown nicht massentauglich genug oder einfach nur zu klein waren. Punk war beides, aber er war auch ein überaus großes Talent, wie er in den vielen Jahren in der Indie-Szene eindrucksvoll bewiesen hatte. Als Gerüchte über seinen Kontrakt beim Marktführer die Runde machten, trollte er seine Fans und hob damit die eigene Heel-Persona bei Ring of Honor äußerst clever in ganz neue Sphären.

CM Punk war schon immer ein sehr intelligenter Wrestler, der aber auch schnell zum Sturkopf werden konnte. Vince McMahon überzeugte er schließlich durch seine bewusst aneckende Art, seinen Widerstand gegen die Obrigkeiten und das daraus resultierende Alleinstellungsmerkmal als einsamer Kämpfer, dem am Ende alles egal ist, solange er aus Überzeugung gehandelt hat. Punk performte über die Jahre zu gut, um von Vince als zu klein ausgemustert zu werden. Die beiden Money-in-the-Bank-Siege und verbundenen Title-Reigns reichten nicht aus und so kam es schließlich 2011 zu diesem ikonischen Sieg über John Cena. CM Punk war für einen kurzen Moment der WWE-Geschichte der wichtigste Superstar der Company.

Aber was bedeutete das für Phil Brooks? Noch heute ist er stolz darüber, wie er 2002 als völliger Rookie nicht nur ein Match mit dem da schon legendären Eddie Guerrero bekommen hatte, nein, er durfte das Triple Threat mit Rey Mysterio in der Turnhallen-Promotion IWA sogar selbst callen. Die Legende Guerrero legte sein Schicksal in Punks Hände, nun drohte Punk selber, die Legende zu werden. Aber wenn, dann bitte aus eigener Überzeugung und nicht als gestriegelte Handpuppe für ein börsennotiertes Unternehmen. Vince McMahon hielt ihn freilich klein, aus der Storyline, die die legendäre Pipebomb enthielt, wurde am Ende mit einiger Absicht kein Weltstar, sondern ein B+-Player geboren. Punk konnte das nicht gefallen, aber was passiert eigentlich mit einem Revoluzzer, wenn er auf einmal selbst an der Macht ist?

Punks Karriere baute darauf auf, gerade solche Ikonen wie John Cena oder The Rock zu verachten, das Establishment einzureißen und für das Volk zu stehen. In der WWE gibt es den Mann des Volkes nur als Marketing-Masche. Hier gibt es eine klare Hierarchie, in der der WWE-Champion die Kohle zu machen hat und solange für Legendenmatches in den Ring zu steigen, bis der Körper es nicht mehr mitmacht und danach noch ein allerletztes Mal. Irgendwann zu dieser Zeit besann sich CM Punk auf seinen großen Traum, einmal im Leben das Main Event von Wrestlemania zu bestreiten.

Einmal im Leben – once in a lifetime – war dann passenderweise auch der Slogan für das Wrestlemania-Main-Event von John Cena und The Rock im Jahre 2012. Während die beiden Ikonen die Show beendeten, verteidigte Punk als Haupt-Champion der Company seinen Title sozusagen als Vorgruppe gegen Chris Jericho. Das schmerzte, aber eigentlich war ja alles gut. 434 Tage durfte Punk WWE-Champion bleiben, so lang wie niemand sonst seit Hulk Hogan in den Achtzigern und niemand seitdem. Dann kam The Rock aus Hollywood vorbei und nahm ihm den Gürtel ab. Dann kam John Cena und stahl ihm auch noch das Rematch auf der größten Bühne, genau so, wie es schon seit Jahren beschlossene Sache war. Alles wäre gut gewesen, hätte es bei Wrestlemania 29 folgerichtig Rock gegen Cena gegen Punk in einem Triple Threat geheißen, aber CM Punk bekam immerhin den Undertaker zum Trost. Ihm war klar, dass sein Match der beiden Superstars verschiedener Äras in Verbindung mit der Streak der Hauptkampf sein musste, aber diesmal entschied sich Vince McMahon für das Titlematch im Main Event. Zwar hatten Punk und der Taker das Match of the Night, klar besser als Rock und Cena, aber am Ende stand CM Punk nur als weiteres Rädchen unter den nun 21 Verlierern in der Streak des Undertakers da. Nicht der Deadman pinte in dieser Nacht Punks Schultern auf den Boden, es war der mächtige Daumen von Vincent Kennedy McMahon.

Immerhin blieb Punk sich treu. Phil Brooks ist immer ehrlich und erwartet auch von anderen Ehrlichkeit, auch wenn ihm am Ende egal ist, was andere über ihn denken. Wenn ihm jemand querkommt, dann sagt er das auch und kneift nicht den Schwanz ein. Und gerade in den letzten Jahren seiner WWE-Karriere kamen ihm sehr viele quer. Es gibt sicherlich eine Menge Gründe, warum Phil Brooks am Ende die WWE verlassen hat, aber einer wird oftmals unterschlagen. Was wäre denn gewesen, wenn CM Punk offiziellen WWE-Legendenstatus erreicht hätte? Wenn er wie John Cena durch die Main Events gerutscht wäre und sich als Face der Company etabliert hätte? Wenn man ihm eines Tages eine Statue in die Empfangshalle der WWE-Headquarters stellen würde? Das kann nicht das berufliche Ziel eines Phil Brooks sein und genau darin liegt sein Dilemma. Er will zur Ikone werden, will im wichtigsten Wrestling-Match des Jahres stehen, aber gleichzeitig will er daraus dann aus voller Überzeugung keinen echten Profit ziehen. Das wiederum ist ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen Talente, die wirklich zum neuen John Cena oder Goldberg werden wollen.

Am Ende hat CM Punk die Liebe zum Wrestling verloren, wollte eigentlich nie wieder über Wrestling sprechen und tat es jetzt in einem Backstage-Format eine Zeitlang trotzdem. Die WWE-Offiziellen haben ihm übel mitgespielt, aber gleichzeitig hat er sich auch nie als Parade-Angestellter verhalten. Für Vince McMahon scheint das Thema CM Punk vom Tisch zu sein und trotzdem hat man sich Ende 2018 dazu entschieden, AJ Styles den WWE-Title nach 371 Tagen abzunehmen. Nur zwei Monate länger und man hätte CM Punk aus den Geschichtsbüchern nehmen können, aber offenbar nimmt man ihn als das kleinere Übel gegenüber dem Face von TNA. Auch hier wird Punk als kleines Rädchen in die Politik der Company eingebaut. Aber soll Punk von sich aus zurück zum Wrestling kommen? Er kann es nicht. Es wäre eine persönliche Niederlage, er würde all seine Antipathie über Bord werfen und wäre sich nicht ehrlich gegenüber. Er kann sich nicht selbst verraten, so wie er seinem Bruder nicht verzeihen kann oder kein Wort mehr mit dem ehemals besten Freund Colt Cabana spricht. Ein Comeback von CM Punk wäre gegen seine Ideale. Er wäre die Ikone, die mit über 40 Jahren zurückkehrt und ein Wrestlemania-Main-Event einfordert. Und doch gibt es ganz tief in ihm immer noch diesen einen verführerischen Traum.

Autor: Marcel Weber
Cut: Peer Oberhoff (Instagram: https://www.instagram.com/peer_hoff6/)

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