Wie Mobbing Leben zerstört

Dieser Video-Artikel ist ein Kommentar von Jonathan Guthy.

Am Samstag ist die japanische Wrestlerin Hana Kimura gestorben. Sie wurde 22 Jahre alt. Cyber-Mobbing hat sie in die Selbstverletzung getrieben. Aktuell sieht es so aus, als hätte sie sich wegen diesen Online-Angriffen das Leben genommen.

Hana Kimuras Story ist eine von vielen. Geschichten, wie ihre sind zu oft nur große Headlines, die Klicks ziehen und zu selten wirkliche Denkanstöße. Vielleicht ist dieses Video ein Denkanstoß.

Brauchst du Hilfe? Dann kontaktiere die Telefonseelsorge: 0800 1110111. Mehr Infos auf www.Telefonseelsorge.de.

Jeder sechste deutsche Schüler hat laut Pisa-Studie oft mit Mobbing zu kämpfen. In der sechsten Klasse ging es mir genau so. Auch ich kenne dieses Gefühl von Hilflosigkeit, von dem so viele Betroffene reden. Jeden Morgen aufwachen und hoffen, dass heute einer der besseren Tage ist. Dass es heute zur Abwechslung harmlos bleibt. Die Angst, vor dem Schuleingang. Das üble Gefühl kurz vor dem Klassenzimmer. Die viel zu langen Pausen. Hinfiebern zum Ende der letzten Stunde… Aber dieses Unwohlsein bleibt, auch nach dem Schultag, weil die Gefahr nicht vorbei ist. Es geht weiter. Online. Von überall können Angriffe kommen. Cyber-Mobbing. 24/7. Manchmal mit echten Namen, manchmal anonym. Ich erinnere mich an einen Nachmittag, an dem die Kommentare auf Facebook gegen mich so heftig waren, dass ich weinend vor meinem Bildschirm zusammengebrochen bin. Diese Zeit hat bei mir Unsicherheiten ausgelöst, die bis heute bleiben.

Ich fühle mich überhaupt nicht stark, wenn ich so etwas erzähle. Das sind Schwächen. Wunden von damals, die heute noch weh tun. Und das so zu zeigen ist ein Risko – vor allem vor Tausenden Zuschauern online. Tausende, die mich anonym in den Kommentaren zerreißen könnten. Ich will dieses Risiko trotzdem eingehen.

Und: Ich will mich hier nicht als das Opfer hinstellen, das sentimental nach Mitleid bettelt. Ich war nicht nur Opfer. Ich war auch Täter. Nach dem heftigen Mobbing in der sechsten Klasse, kam bei mir immer wieder das Bedürfnis auf, andere runterzumachen. Ich hab’s versucht zu stoppen, aber nicht immer geschafft. Da wurde mir klar: Es ist ein Kreislauf. Verletzte Menschen verletzen Menschen, die Menschen verletzen. Meine Verletzungen haben andere verletzt. Das ist ein Kreislauf, der von allein weitergeht. Aber wir sind dem nicht ausgeliefert. Du bist dem nicht ausgeliefert. Der Kreislauf kann bei dir stoppen. Und es ist so wichtig, dass er bei dir stoppt. Weil Folgen von Mobbing nicht kalkulierbar sind. Manche können damit umgehen, andere nicht. Und tragische Storys, wie die von Wrestlerin Kimura zeigen, wie weit Mobbing gehen kann.

„Lösch‘ dich“ schreiben sie. Und verstehen gar nicht, was das heißt. Was sie da verbreiten. Lösch‘ dich. Eine Formulierung, die so toxisch ist. Das checkt jeder, der mal darüber nachdenkt, was wirklich heißt. Aber vor dem Tippen nachzudenken: das machen die Wenigsten. Weil es normal geworden ist, einfach drauf los zu schreiben.

„Es ist normal …“
Bei Coachings zum Umgang mit YouTube-Kommentaren sage ich häufig: „Ihr müsst damit rechnen, dass Hater kommen werden.“ Als wäre es total selbstverständlich mit Hass konfrontiert zu werden. Und leider ist das online so. Die letzten 7 Jahre auf YouTube haben mich extrem abgehärtet haben. So viele Hater-Kommentare. So viel Hass. Irgendwann kommt das dicke Fell. Aber andere haben dieses dicke Fell nicht. Immer wieder höre ich von YouTube-Kollegen, die keine Videos mehr machen, weil sie Morddrohungen bekommen. Oder ihre Familie mit reingezogen wird. Es ist unverhältnismäßig, unfassbar, aber es ist die Realität in Kommentar-Sektionen und Privatnachrichten.

Aber woher kommt dieser Hass?
Mobbing ist das Ergebnis aus Konkurrenz, Neid und Eifersucht. Das sagt der Psychologe Robert Betz.

Mobber haben also in sich Verletzungen. Und Online kommen dann noch zwei Faktoren dazu: Anonymität und Distanz. Kommunikation online verliert viele Facetten der Face-to-Face-Unterhaltung. Deswegen sind normale, respektvolle Umgangsformen aus dem Real-Life im virtuellen Raum nicht etabliert. Die Anonymität online und die Distanz zum Gegenüber sprengen Grenzen. In der Kommunikationswissenschaft heißt das empathische Kurzsichtigkeit. Einfach ein paar mal tippen und auf absenden drücken. Ohne das Wissen, was beim Gegenüber passiert, während er es liest. Das Gefühl für die Wirkung der Äußerungen beim Empfänger wird schwächer. Emotionale Distanz. Die Person, die den Kommentar schreibt, sieht die Verletzungen beim Gegenüber nicht. Kein fassungsloser Gesichtsausdruck, keine Tränen. All das passiert weit weg hinter einem anderen Bildschirm. Und es kann tiefe Verletzungen hinterlassen. Worte können viel mehr weh tun, als Schläge. Kimura war körperliche Schmerzen gewohnt. Eine Wrestlerin, die hart im Nehmen war. Aber kollektives Cyber-Mobbing kann Menschen zerstören. Also übernehmt Verantwortung für das, was ihr schreibt.

Das ist kein Thema, bei dem wir ein paar betroffene Tweets schreiben und dann so weiter machen, wie vorher. Wir haben es in der Hand. Du hast Verantwortung für deine Äußerungen. Lasst uns diesen Kreislauf stoppen. Lasst uns für andere einstehen. Und für uns selbst.

Wenn du mobbst, will ich dir sagen:
Deine Worte können Leben zerstören. Auch wenn du sie tippst. Du wirst nicht stärker, wenn du andere schwächst. Du wächst nicht, wenn du andere runtermachst. Stoppe diesen Kreislauf.

Wenn du gemobbt wirst, will ich dir sagen:
Es ist normal, nicht jedem zu gefallen. Aber Mobbing musst du dir nicht gefallen lassen. Rede im Vertrauen darüber. Wenn du keine Vertrauensperson hast, dann die Telefonseelsorge: 0800 1110111. Mehr Infos auf www.Telefonseelsorge.de.

1 Kommentar

  1. Kopp hoch, Jonny!
    Schließlich hast du es geschafft der Tretmühle zu entkommen und bist heute einer der renommiertesten Wrestling-Kritiker
    Also ich habe nur eins gelernt dass diese Hater einfach *gar nix* können und in Wirklichkeit ihr eigenes scheiss Leben so hassen dass sies *NIE* verstehen wenn Andere Leidenschaft haben Hobbies oder einfach Anders sind und trotzdem gut !
    Lg

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