Ric Flair windet sich auf dem Boden. Er befindet sich im Sharpshooter von Bret Hart. Hart hat diesen Move perfektioniert. Perfektioniert wie fast jeden Griff, jedes Aufgabemanöver im Wrestling. Flair gibt den Kampf auf, die Ringglocke schlägt. Die Fans in Saskatoon, Kanada jubeln ausgelassen. Ihr Hometown Hero hat es geschafft. Bret Hart ist WWF Heavyweight Champion, er steht an der Spitze der Promotion.
Bret Hart ist an diesem Abend im Jahr 1992 35 Jahre alt. Es ist die Belohnung für seine unvergleichliche Hingabe zu einer Unterhaltungsform, die für ihn weit mehr ist als das. Bret Hart steht für den Begriff Kampfkunst. Schon früh wurde er von seinem Vater Stu Hart trainiert. Die Familie lebt Wrestling. Bret Hart hat 8 Brüder, 7 wurden Wrestler. Der achte Ringrichter. Seine 4 Schwestern heirateten alle Wrestler.
Die Karriere von Bret Sergeant Hart beginnt zuhause. Sein Vater ist bekannt für seine Wrestling Schule, aber auch für seine Härte. Sein Fokus liegt auf technischem Wrestling, auf Griffen und dem Überwinden von Schmerzen. Bret und seine Brüder werden von ihm bis an die Grenzen des zumutbaren getrieben und Bret Hart selbst gibt in der Dokumentation „Wrestling with Shadows“ zu, mehrmals Todesangst gehabt zu haben.
Diese Schule macht aus Bret früh einen Star in der Promotion seines Vaters. 1984 wird die Promotion an Vince McMahon verkauft und Bret geht zur WWF.
In den folgenden Jahren wird er ein erfolgreicher Tag-Team-Wrestler an der Seite seines Schwagers Jim „The Anvil“ Neidhart (Vater von Natalya). Als das Team 1991 getrennt wird, traut Vince Bret den Schritt zum Einzelwrestler zu und baut ihn bis zu seinem Titelgewinn gegen Flair 1992 auf.
Die WWF braucht einen Nachfolger für den alternden Hogan und sucht eine neue Ausrichtung. Diese Richtung findet sie im sportlicheren, mehr auf realen Kampf ausgelegten Hart. Er ist ein Fighting Champion und verteidigt den Titel öfter im TV, gegen die verschiedensten Gegner.
In den nächsten Jahren prägt Hart die WWF. Seine Matches beim Summerslam 92, Wrestlemania 10&13 sind legendär. Sein Stil und die Fähigkeit aus jedem ein gutes Match rauszuholen wohl einmalig.
Doch ab 1997 veränderte sich das Programm der WWF. Im Quotenkampf mit der WCW wird das Programm Edgy und Stars wie Shawn Michaels, Triple H und Steve Austin prägen immer mehr das Bild.
Bret Hart, für den Wrestling so viel mehr ist als Sports Entertainment ist, gerät ins Grübeln. Erst im Jahr zuvor hatte er eine Offerte der WCW über drei Millionen Dollar pro Jahr abgelehnt. Um zu erahnen wie wichtig der Name Bret Hart im Wrestling der 90er Jahr ist lässt sich einordnen, dass Kenny Omega von WWE 2018 ein ähnlicher Vertrag geboten wurde um die Gründung von AEW einzuschränken.
Bret wird von Vince McMahon überredet Heel zu turnen und Steve Austin zum neuen Superstar der WWF zu machen. Er willigt ein, weil Vince McMahon neben seinem Vater der einzige Promoter ist, für den er je gearbeitet hat. Er vertraut Vince McMahon. Für ihn ist McMahon eine Art zweiter Vater und aus Loyalität zu ihm hat er den WCW Vertrag abgelehnt und für 20 Jahre bei WWF unterschrieben.
Im Sommer 1997 steht es jedoch nicht gut um die WWF. Die Geschäfte laufen nicht wie erwartet, die WCW liegt in den Ratings vorne und Vince McMahon ist in finanziellen Schwierigkeiten. Es kommt zum Gespräch mit Hart und er bittet ihn aus seinem Vertrag auszusteigen. Mehr noch: er bittet Bret, die WCW zu kontaktieren, um einen Vertrag mit Ted Turner auszuhandeln.
Nach langer Überlegung kündigt Bret Hart seinen Vertrag mit WWF und entscheidet sich für WCW. Selbst diese Entscheidung trifft er aus Loyalität zu der Promotion, die ihn groß gemacht hat. Die Promotion, für die er 14 Jahre angetreten ist. 14 Jahre in denen er nur zwei Shows verletzungsbedingt verpasste.
Durch seine Kündigung bei der WWF griff nun eine Klausel in seinem Vertrag, welche ihm kreative Kontrolle über sein Hitman Gimmick einräumt. Booking Entscheidungen können nun nur mit seiner Einwilligung getroffen werden.
Da Hart zu dieser Zeit den WWF Titel hält und Vince vermeiden will, dass Hart den Titel zur WCW mitnimmt versucht er ein Szenario auszuarbeiten, wie Hart den Titel ablegen könnte.
Bret Hart war es sehr wichtig den Titel zu seinen Bedingungen abzugeben und erhobenen Hauptes die WWF zu verlassen.
Vince wollte, dass er den Titel bei der Survivor Series 1997 an Michaels weitergibt. Diese Series fand in Montreal, Kanada statt und daher sagte Hart, laut seiner Aussage, zum ersten Mal in seiner Karriere „Nein“ zu Vince McMahon.
Diese Umstände endeten im Montreal Screwjob in dem McMahon entschied Hart ohne sein Wissen den Titel abzunehmen.
Hart war zu dieser Zeit schon 40 Jahre alt und hatte die letzten 5 Jahre an der Spitze der WWF gestanden. Nun wurde er von dem Mann hintergangen, der wie ein Vater für ihn war, der aus ihm einen Champion gemacht hatte. Mehr als der Verlust des Titels wog der Vertrauensverlust und Hart schwor nie wieder in der Promotion von Vince anzutreten.
Leider war sein Wechsel zur WCW nicht von Erfolg gekrönt. Die Promotion war gefangen in aufkommenden Machtkämpfen und der Schaden, den der Montreal Screwjob verursacht hatte, lastete auf ihm. Er wurde zwar noch 2x WCW World Heavyweight Champion, aber von Goldberg bei Starrcade 1999 so schwer verletzt, dass er seine Karriere beenden musste.
Erst im Jahr 2005 traf er sich wieder mit Vince McMahon und es wurde die Produktion einer DVD über seine Karriere vereinbart. Außerdem sollte Hart 2006 in die Hall of Fame aufgenommen werden. Einen Auftritt bei Wrestlemania bzw. Raw lehnte er zu dieser Zeit noch ab, weil er sich geschworen hatte nie mehr bei WWE im TV zu erscheinen. Diese Ankündigung brach er erst im Jahr 2010 nachdem er sich endgültig mit Vince und Shawn Michaels ausgesprochen hatte. So durfte er bei WM26 Vince McMahon besiegen und zumindest die Storyline des Montreal Screwjobs wurde beendet.
Bis heute äußert sich Hart kritisch gegenüber Vince McMahon, der WWE und viele seiner ehemaligen Konkurrenten. Er tritt auch vereinzelt für andere Promotions, wie AEW medienwirksam auf und verteilt in Interviews Spitzen gegen WWE.
Dennoch bleibt Hart einer der wichtigsten Wrestler der WWE Geschichte, weil Vince an einem Punkt den Mut bewies, jemandem der nicht der Größte, nicht der Muskulöseste und nicht der Unterhaltsamste war, den höchsten Titel seiner Promotion zu geben, weil er Ihn am meisten verdiente. Dieser Abend bei einer House Show im Oktober 1992, dieser Sieg gegen Ric Flair, dieser Titelgewinn ebnete den Weg nicht nur für Bret Hart. Er ebnete auch den für Wrestler wie Eddie Guerrero, Daniel Bryan oder Chris Jericho.
Autor: André Marowski
Cut: Kris Melzig
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