10 Aspekte: Was die WWE von NJPW lernen kann …

2) Konsequente Booking-Entscheidungen

Ein großes Problem in der WWE, das bereits seit Jahren existiert, ist das merkwürdige, teils vollkommen inkonsequente, sogenannte “50/50“-Booking, was bedeutet: Wrestler in einer Fehde tauschen stets Siege und Niederlagen aus, wodurch jedoch keiner der Kontrahenten wirklich stark wirkt. Noch dazu kommt es viel zu oft zu unsauberen Match-Enden, beispielsweise durch Disqualifikation oder Auszählen, Faktoren, die keiner Partei wirklich helfen. Auch Langzeit-Booking ist in der WWE so gut wie nicht mehr existent. Es gibt kaum Fehden, die über einen großen Zeitraum mit einem klaren Ziel vor Augen geplant werden, stattdessen verlässt sich die WWE auf ihre “Momente“ und die dazugehörigen Last-Minute-Entscheidungen von Vince McMahon. Und selbst wenn es mal funktionieren sollte, sind die Storylines oder die Wrestler dahinter meist so uninteressant weil unglaubwürdig oder eben inkonsequent, dass es schwerfällt, dem Ganzen mit wirklichem Interesse zu folgen.

Solche Probleme kennt NJPW fast gar nicht. Wenn sich die japanische Promotion bei ihrem Booking ein bestimmtes Ziel, dann wird konsequent daraufhin gearbeitet. Bestimmte Faktoren aus der Vergangenheit oder der Bedeutung des Charakters der verschiedenen Wrestler werden mit eingebaut, es wird stets dafür gesorgt, dass die Fehde interessant und vor allem realistisch bleibt. Hierzu tragen vor allem die eigentlich recht simplen bzw. einfach zu folgenden Stories bei: Ganz im Sinne der japanischen Kultur stehen Respekt und Kampfgeist im Vordergrund, meist geht es in einer Fehde bei NJPW darum, zu beweisen, wer der Bessere ist: Wrestler X und Wrestler Y kämpfen gegeneinander, weil sie beide zeigen wollen, dass sie besser als der jeweils andere sind. Und falls Wrestler Y noch dazu einen Titel hält, will Wrestler X sich den holen, weil er eben der Bessere ist und der Titel diesen Status noch unterstreicht.

So einfach zu folgen sind die meisten NJPW-Stories, doch es gibt, wie bereits oben erwähnt, auch oftmals so genanntes “Long-Term-Booking“, welches sich über Monate oder sogar Jahre hinziehen kann.

Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist die Geschichte der Karriere von Tetsuya Naito. Zu Beginn seiner Karriere als großes Talent und nächster NJPW-Main-Eventer gehandelt, wurde er auch langsam aber sicher zu so einem aufgebaut. Doch es gab ein Problem: Er hatte keinen wirklichen Charakter der ihn auszeichnete, und den Fans missfiel das. Es kam wie es kommen musste: Sie lehnten Naito in der ihm von der Company zugedachten Position ab. Was tat NJPW also? Sie hörten auf ihre Fans! Denn: Als Tetsuya Naito im Sommer 2013 das G1 Climax-Turnier gewann, sicherte ihm das eigentlich ein Match um den IWGP Heavyweight-Championship im Main Event von Wrestle Kingdom. Doch als die Fans den Main-Event-Jungspund ein weiteres Mal ablehnten, reagierte NJPW: Sie hielten ein Voting ab, welches Match den Main Event von Wrestle Kingdom bekommen sollte. Das IWGP Intercontinental-Titel-Match setzte sich durch, so bekam Naito zwar sein Titel-Match, aber nicht im Main-Event. Nachdem er dies verloren hatte, begann sein Charakter sich langsam aber sicher zu verändern. Die Bombe platzte schließlich gut anderthalb Jahre später, als Naito, von einer Exkursion in Mexiko zurückgekehrt, seinen neuen “Ingobernable“-Charakter präsentierte: Er war nun ein Heel, ein Rebell, dem die Reaktionen der Fans, die Liga, einfach alles, komplett egal waren, er war nur noch sein eigener Herr. Was war die Folge? Die Fans liebten es! Die Reaktionen für den “neuen“ Naito waren so unglaublich, dass sein Push langsam aber sicher wieder Fahrt aufnahm. Seine Popularität wurde noch größer, als er begann, die Gruppierung “Los Ingobernables de Japon“ um sich zu scharen. Mit deren Hilfe konnte er dann im April 2016 schließlich endlich erstmals den IWGP Heavyweight Championship gewinnen. Auch wenn er ihn nur gut zwei Monate hielt, der erste Schritt war gemacht. Nach einer weiteren Regentschaft mit dem Intercontinental-Titel, schlug im Sommer 2017 schließlich Naitos große Stunde: Er gewann den G1 Climax ein zweites Mal und sicherte sich somit erneut das Recht auf einen Titel-Match im Wrestle Kingdom-Main-Event. Nach 4 langen Jahren war Naito endlich da, wo er hin sollte: In Richtung Spitze der Liga, und dieses Mal mit den Fans im Rücken. Er hatte sich ihre Gunst erkämpft, in dem er sie abgelehnt hatte, er hatte ihnen gezeigt, was wirklich in ihm steckte!

Es zeigt sich also: NJPW ist im Gegensatz zur WWE deutlich flexibler was das Booking und das Planen der Zukunft angeht. Und genau dieses Flexibilität zeichnet die japanischen Promotion aus. Ihre Stories sind einfach zu verfolgen, machen Sinn und, das vielleicht Wichtigste: Sie sind unterhaltsam. Manchmal ist weniger und simpler eben doch mehr und besser.

3 Kommentare

  1. Wenigstens haben die SmackDown Tag Team Gürtel und die WWE Championship mittlerweile glaubwürdige und dominante Träger, die mir sehr gut gefallen.

    Starker Artikel, New Japan ist wirklich großartig uns ich finde, die meisten Stars strahlen so viel mehr Prestige aus als die Leute bei der WWE. Okada, Omega, Naito ziehen jemanden mit ihrer Persönlichkeit und Auftreten so in den Bann, man möchte sie mit keinem aus der WWE vergleichen, sie wirken als würden sie auf einer oder mehreren Stufen höher stehen.
    Den Entertainment Aspekt bei der WWE möchte ich grundsätzlich gar nicht kritisieren, ich schaue WWE auch stets mit lachendem Auge. An der Qualität sollte man hier arbeiten, denn Segmente sind an sich nichts schlechtes und helfen dabei das Produkt einzigartig zu erhalten.

  2. Bisher der beste Artikel auf Spotfight!
    Ich mein allein der Aufwand den „Julian /Jokey“muss riesig gewesen zusein.
    Ich persönlich schau kein wwe mehr (seit Backlash 2017 ich hab vorher schon weniger geschaut, aber als Jinder oben stand wars vorbei) ich lese mir RAW und Smackdown nur auf der Website meines Vertrauen durch. Meine Lieblings company ist NJPW. Ich schau seit 2010 NJPW (und hab natürlich alles davor nachgeholt? gleiches gilt für Roh) und war noch nie nach einer Show enttäuscht. Und wenn man mal in die Zukunft schaut wird sich, dass nicht ändern,ich meine okada ist 29, omega /Naito sind beide auch keine 40 mit Tanahashi kann man in den nächsten Jahren noch ein paar junge Talente over bringen (wie z. B. Hiromo Takahashi oder Sanada) und dass roster ist allgemein noch sehr jung.
    Sehr Guter Bericht (war fast auf omega vs okada Niveau ?).

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