Warum der Undertaker noch lange nicht fertig ist

Was fällt dir ein, wenn du an den Undertaker denkst? Die Streak? Der Tombstone? Oder siehst du vor deinem inneren Auge immer noch, wie der Undertaker gespenstisch die Augen nach innen rollt, wenn er seine dunkle Kapuze herunterzieht? Der Taker ist eine Legende, keine Frage. Er wird nicht jünger, aber er ist auch noch lange nicht fertig.

Was war das doch für ein Schockmoment? Undertaker vs. Brock Lesnar. WrestleMania 30. Bis zu diesem Tag hatte der Deadman eine glanzvolle und durchaus erstaunliche Bilanz aufzuweisen: 21Siege hintereinander bei Wrestlemania. Das trug nicht gerade wenig zu seinem absoluten Legenden-Status bei. Als unbesiegbar wurde das Phenom eingestuft, ein weiterer Sieg bei Wrestlemania galt als sicher – doch wirklich keiner rechnete mit der Art und Weise, auf die der Undertaker sich an diesem denkwürdigen Abend präsentieren sollte: Nach starker Anfangsoffensive wurde das Match von Brock Lesnar dominiert. Nach jeder Aktion gegen ihn sprangen dem Undertaker förmlich die Augen aus dem Kopf und jede Aktion vom Taker bereitete ihm große Schwierigkeiten. In diesem Match stand längst nicht mehr die Legende Undertaker von einst. In diesem Kampf blitzten ganz deutlich die Mühen hervor, die es Mark Calaway kostete, in seiner Rolle zu bleiben. Mit jeder Minute, die in diesem Match verstrich, wuchs der Wunsch vieler Millionen Fans, endlich den finalen Tombstone zu sehen. Nicht weniger groß war dennoch der Schock, als die Bestie Brock Lesnar nach etwa einer halben Stunde Matchzeit dem Deadman endgültig den Gnadenstoß verpasste und die Streak nach 21 Siegen beendete. In diesem Moment starb nicht nur die Streak. Auch der Charakter des Undertakers verabschiedete sich rückwirkend endgültig. Als kurz nach dem Kampf bekannt wurde, dass der Undertaker mit einer gebrochenen Hüfte und Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert worden war, dachten alle Zeugen, wir würden den Undertaker nie wieder im WWE-Ring sehen. Ein fataler Irrtum wie sich herausstellen sollte …

Ein Jahr später sprach niemand geringeres als der „Eater of Worlds“ Bray Wyatt eine Challenge ins Jenseits aus. Richtig zu Gesicht bekamen wir das Phenom erst wieder bei Wrestlemania – mit deutlich verändertem Aussehen. Die Haare hatte er sich zu einem wuscheligen Lockenkopf wachsen lassen und den Ganzkörper-Anzug von Früher gegen ein schwarzes Oberteil und eine schwarze Hose eingetauscht. Seine Erscheinung wirkte deutlich menschlicher und weniger mysteriös als in den letzten Jahren. So war auch sein Kampf. Er wirkte deutlich langsamer und nicht mehr so energetisch wie früher, seine plötzlichen Sit-ups vom Boden scheiterten mehrfach. Obwohl er am Ende das Match für sich entscheiden konnte, konnten die Fans das, was sie da geboten bekamen, nicht so recht einordnen.

Dann die Rache: Kurz vor dem Summerslam. Der Deadman kam aus dem Jenseits zurück, um sich an Brock Lesnar zu rächen. Die Fehde und die Matches übertrafen überraschend die Erwartungen und wurden zum Erfolg. Obwohl sich der Undertaker erneut sichtlich quälte. Zwischen den beiden Kontrahenten herrschte in diesem Match eine besondere Atmosphäre.

Und dann kam auch schon das nächste WrestleMania-Match: Dieses Mal gegen den McMahon-Sprössling Shane. Der war nach jahrelanger Abwesenheit völlig überraschend zurückgekehrt und wollte laut Storyline die Kontrolle über die Company an sich reißen. Doch sein Vater stellte ihm eine Hürde in den Weg: Den Undertaker. Ob es dem Image des Takers jetzt so gutgetan hat, in dieser Storyline als die kontollierbare Puppe seines Chefs dargestellt, zu werden, sei dahingestellt. Das Match war am Ende auf einem ordentlichen Niveau. Der Undertaker quälte sich durch, Shane sorgte für einen spektakulären Haupt-Moment. Vom 6 Meter hohen Käfigdach sprang er durch den Kommentatorentisch. Doch solche spektakulären Szenen blieben auf der Seite des Takers aus. Seine Aktionen wirkten erneut eher gequält und schwerfällig. Mehrere Berichte besagen, Vince McMahon hätte tatsächlich vorgehabt, den Undertaker zum Dank für seine Aufopferung auch noch verlieren zu lassen. Nur ein Flehen des Undertakers selbst soll den WWE-Boss noch umgestimmt haben und so konnte der Taker noch einmal auf der größten Bühne siegen.

Und das war’s immer noch nicht. Jahr für Jahr kehrte der Undertaker zurück. Eine klare Fackelübergabe-Niederlage gegen Roman Reigns. Ein schneller Sieg gegen John Cena.

2 Jahre sollte man jetzt nichts mehr vom Phenom hören. Nur Mark Calaway grinste auf seinem neu angelegten Instagram Account fröhlich in die Kamera. Keine Spur mehr vom Undertaker. Wrestlemania 35 wurde die erste Ausgabe des Hauptevents der WWE ohne Beteiligung des Undertakers seit langer Zeit. Warum er fernblieb – ein Rätsel.

Und dann kam die Genialität. Die „Geister-Wrestlemania“ 36 sollte als Comeback-Bühne dienen für den neuen Undertaker: An einer Friedhofskulisse wurde filmartig ein abgeändertes Buried-Alive-Match produziert, ein Boneyard-Match. Die Schwächen des Undertakers wurden geschickt kaschiert und auch das zurückgebrachte Biker-Gimmick aus früheren Jahren blies dem Undertaker frischen Wind in die Segel. Diese Art von Match stellte eine neue, und durchaus ausgereifte Version des Undertaker-Entertainments vor. Sollte der Taker nochmal bei der WWE auftreten, braucht es genau diese Art von Kampf für ihn. Sie ist nicht nur äußerst fesselnd wie ein Hollywood-Horror-Streifen aufgebaut, sie bietet dem Undertaker auch mehr Spielraum für Erholungspausen, die er in seinem Alter mehr als braucht. Außerdem bringt diese Art von Match mehr Farbe in den sonst so tristen und immer gleichen WWE-Alltag mit klassischen Matches im Ring.

Der Undertaker ist eine Wrestling-Ikone. Seine Präsenz, seine Charakter-Arbeit, sein Storytelling: WWE kann den Undertaker gut gebrauchen. Jetzt gibt es eine Matchart, in der seine körperlichen Schwächen nicht offenbart werden. Ein Gewinn für alle Seiten: WWE, Undertaker und Fans.

Autor: Paul Antwerpes
Cut: Yannic Brosch (https://www.instagram.com/yannicbrosch/)

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