Der größte Kampf der WWE

John Cena gegen The Rock? Der Undertaker gegen Kane? Becky Lynch gegen Charlotte Flair? In der WWE kriegt man als Fan so manchen krassen Kampf serviert. Aber der größte Kampf überhaupt – der findet gar nicht im Wrestling-Ring statt. Und es stehen sich auch keine grimmig dreinblickenden Kämpfer oder Kämpferinnen gegenüber, die sich gierig um Titel zanken. Nein, das größte und längste Match auf Erden bestreiten Minderheiten, wie die LGBTQ+ Community. Und der Gegner ist hartnäckig, aggressiv und äußerst penetrant. Der Gegner ist unsere Gesellschaft. Egal, ob Ausgrenzung, Hasstiraden oder auch aktive Gewalt – Teile unserer Gesellschaft schrecken vor nichts zurück, um Minderheiten zur Aufgabe zu zwingen. Aber sie geben den Kampf nicht auf. Auch bei WWE hinter dem Vorhang …

Die Sonne geht unter, das Licht in der Halle geht an. Für Superstars wie Sonya Deville oder Shayna Bazler beginnt jetzt der Arbeitstag im WWE-Ring unter frenetischem Jubel der Fans. Sie genießen dieses Rampenlicht. Im Ring sind sie Helden. Aber das war nicht immer so. Dass sie gefeiert werden, ist nicht selbstverständlich. Beide sind lesbisch und hatten mit Ausgrenzung zu kämpfen. Nur die wenigsten Wrestling-Fans wissen davon.

Sonya Deville war es leid, sich verstecken zu müssen. Sie hatte genug davon, Mäuschen zu spielen. So outete sich Sonya 2015 als erste Wrestlerin öffentlich als lesbisch. Shayna Bazler nahm sich das zum Vorbild.

Wer jetzt sagt: „Das geht doch nicht! Solche Leute sollten nicht im Ring stehen!“, der hat jahrelang den falschen Wrestlern zugejubelt: Darren Young, Tyler Reks, Jake Atlas oder Toni Storm. Sie alle gehören der LGTBQ+ Community an. Das stößt nicht unbedingt bei allen Menschen auf Zustimmung. Gerade in den USA hat die LGBTQ+-Community es nicht einfach. Die USA sind ein sehr christlich geprägtes Land. Es gibt viele Christinnen und Christen, die die LGBTQ+ Community akzeptieren, teilweise unterstützen. Aber es gibt eben auch fundamentalistische religiöse Gruppen, die z.B. öffentlich gegen Homosexuelle schießen.

Ich selbst arbeite für eine Kirche und finde das sehr befremdlich. Aber es ist ein kultureller Wandlungsprozess, bei dem Konservative große Schwierigkeiten mit Veränderungen haben.

Bis weit in die 90er war Homosexualität offiziell als „psychische Erkrankung“ gelistet, bis heute tun sich Schulen schwer, im Biologie- und Sozialkunde-Unterricht vom typischen Familienbild „Vater, Mutter, Kind“ abzurücken, viele Länder stellen eine andere sexuelle Orientierung noch unter Höchststrafen. Dort wo WWE hin und wieder veranstaltet, in Saudi-Arabien, kann homosexuelles Verhalten zur Todesstrafe führen. Mit diesem Hintergrundwissen ist es nicht selbstverständlich, dass Wrestler:innen den Schritt gehen, sich zu outen.

Bei Wrestlemania sorgen sie für offene Münder, bei Merchandise-Verkäufen sind sie der Hit. Wenn ihre Gesichter dann bei LGBTQ-Demos auftauchen, ist die Verwunderung groß. Gegner werden stumm. WWE-Superstars, die jeden Tag aufs Neue beweisen, dass sie Respekt verdient haben, kämpfen auch im wahren Leben. Für Gerechtigkeit und Toleranz. Das größte und längste Match der Welt ist noch lange nicht vorbei

PRODUKTION: Lucas Grabowsky, Paul Antwerpes, Jonathan Guthy

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