HEAT! HEAT! HEAT! – Wenn es keine Helden mehr gibt … (BRENNPUNKT WRESTLING)

Bildquelle: WWE

Es sind die besonderen Momente, die für Gänsehaut sorgen. Es sind die besonderen Momente, wenn es endlich zum lang ersehnten sogenannten „Pay-Off“ kommt, wenn es sich gelohnt hat, über Wochen die Shows und Großevents verfolgt zu haben. Es sind die besonderen Momente, wenn Helden kreiert werden – doch genau das hat die WWE in den vergangenen Jahren absolut verlernt. Ist es die eigene Sturköpfigkeit? Will die WWE am Ende des Tages gar keine Helden mehr hervorbringen? Oder ist der Marktführer allen Ernstes der Meinung, dass er die Helden ganz allein bestimmen könne? Wer sind die Austins, Undertaker, Rocks und Guerreros unserer Zeit? Trotz des vorhandenen Potentials gibt es dank der WWE keine. Ein Kommentar.

Es fühlt sich gut an zu wissen, dass sich letzten Endes alles für einen besonderen Moment gelohnt hat – oder? Das Jahr 2008 war für Jeff Hardy ein regelrechter Spießrutenlauf. Beim WWE Draft am 23. Juni 2008 ging es für ihn von RAW zu SmackDown. Viele sahen darin eine neue Chance für Hardy, sich an der Spitze zu etablieren. Eigentlich hing es nur noch von der WWE ab, diesen Moment entsprechend aufzubauen. Genau das wurde auch getan, bis nach Titelmatch-Niederlagen gegen Triple H bei No Mercy und dem Cyber Sunday der „Pay-Off“ bei Armageddon in einem Triple Threat Match gegen Edge (c) und Triple H der große Titelgewinn folgte. Die Fans feierten ausgelassen. Auch Jeff genoss den Titelgewinn. Es war ein exemplarischer Moment, in welchem Jeff Hardy wohl zunächst den Höhepunkt seiner Karriere erreichte. Zudem sind jene Szenen, welche sich bei der folgenden SmackDown Ausgabe abspielten, die, die auch heute noch für Gänsehaut sorgen.

Es braucht gute Gegenspieler für Helden – Triple H und Edge erfüllten diese Rolle im Jahr 2008 sehr gut. Derzeit gibt es durchaus eine Vielzahl an Heels. Doch wirkliche Helden fehlen aktuell. Es scheint, als hätte die WWE sich als Maßstab für die bestmögliche Reaktion mit einer Antwort der Fans, wie sie ein John Cena bekommt, abgefunden. Es wird scheinbar einfach hingenommen, dass es heutzutage ohnehin unmöglich sei, alle Fans in der Halle auf die Seite eines Superstars zu bekommen. Roman Reigns, welcher an sich nicht einmal mit gemischten, sondern eindeutig ablehnenden Reaktionen die Halle betritt, ist beispielhaft. Er ist der Auserkorene, welcher dem Publikum mit Hilfe zahlloser Push-Versuche aufgezwungen werden soll. Müssen Helden aufgezwungen werden? Nein – und gerade deswegen ist diese Herangehensweise der WWE falsch.

Aber das ist nicht der einzige Punkt, bei welchem an der Zuschauerschaft vorbei gedacht wird. Warum ist es eigentlich fast zu einer Art ungeschriebenem Gesetz geworden, dass Superstars, die in ihrem Heimatort antreten, nicht gewinnen? Warum verlor Sasha Banks 2016 in ihrer Heimatstadt den Frauen-Titel? Warum besiegt Alexa Bliss bei Payback 2017 Bayley in ihrer Heimatstadt und wurde somit neue Titelträgerin? Selbst wenn von Beispielen mit Niederlagen in der Heimatstadt abgesehen wird: Warum gibt es immer häufiger unsaubere Matchenden? An sich einfach zu erklären: Heat! Natürlich kann es nicht bei jedem Event einen großen „Pay-Off“ geben und selbstverständlich gibt es Phasen, in denen eine Geschichte zeitlich überbrückt werden muss. Trotzdem geht es dem derzeitigen Produkt völlig abhanden, auch nur ansatzweise solche positiv in Erinnerung bleibenden Momente zu kreieren. Schockmomente gibt es allerhand: Lesnar bricht die Streak, Mahal gewinnt den WWE Titel und Goldberg squasht Lesnar. Vom Niveau sind das zwar alles Momente unterschiedlichen Grades – vom Prinzip her sind jedoch alle aus einer Schublade. Was für eine Schublade ist das?

2 Kommentare

  1. Ein sehr gut geschriebener Artikel, der vieles, was momentan schief läuft beleuchtet. Nur die Schlussfolgerung ist glaube ich nicht ganz richtig. Geht es Vince bei Cena und Reigns um laute Reaktionen jedweder Art? Vielleicht ergänzend. Aber der Hauptgrund für die Pushs der beiden ist nach meiner Ansicht rein finanzieller und marketingtechnischer Natur. Nehmen wir mal John Cena. Ich glaube, es wäre für die WWE seit etlichen Jahren ein Leichtes, ihn für das Hallenpublikum und die Smarks wieder attraktiver zu machen. Weg mit den quietschbunten Klamotten, dem Tüchlein, dem HLR Getue, hin zu einem Charakter, der deutlich „edgier“ ist, ein paar knackigere Catchphrases, aggressiveres Micwork, andere Darstellung im Ring, also eher eine Art Tweener sag ich mal. Es muss nicht mal ein kompletter Heelturn sein. Ich möchte behaupten, es würde zumindest ein paar Leute mehr mitnehmen, die für ihn Stimmung in der Halle machen und die auch schon hörbar im Stimmbruch oder darüber sind. ABER: Könnte so eine Figur die Kids Choice Awards moderieren? Oder glaubhaft Charityaktionen machen, sprich Öffentlichkeitsarbeit? Im erzkonservativen Amerika eher nicht. In der Attitude Ära zB war das auch nicht in dem Maße erforderlich wie heute. Da hing alles davon ab, die WCW zu schlagen, in Sachen Live Zuschauer und in Sachen Ratings. Aber diese Zeiten sind vorbei. Das lineare Fernsehen verliert zunehmend an Bedeutungslosigkeit, die Kohle bringen die Kids, die sich Merch, Figuren etc. holen und die von ihren Eltern das Network abonniert bekommen. Und die Fans, die meckern, die Reigns aus der Halle buhen, die kommen ja trotzdem und die schauen auch trotzdem noch die Shows im Fernsehen oder im Internet. Also worin besteht dann aus rein finanzieller Sicht (und nur um die geht es, spätestens seit dem Börsengang!) der Vorteil, auf die Smarks in der Halle zu hören, und einen Finn Balor, Sami Zayn oder gar Rusev zu pushen? Alle und noch viele mehr, die ich nicht aufgezählt habe, hätten das Spotlight verdient, keine Frage. Alle würden die Halle zum kochen bringen mit einem Sieg. Aber braucht die WWE das? Keiner von denen hat objektiv betrachtet das rein finanzielle Potential eines Cena bzw. künftig eines Roman Reigns. Welches Kind würde sich ein Rusev Poster ins Zimmer hängen, seine Frühstücksflocken aus einer Rusev Day Schale essen oder sein Mittagessen aus einer Sami Zayn Lunchbox? Da ist die Zielgruppe von Reigns doch um ein Vielfaches größer.
    Und das war – mit Ausnahe der Attitude Ära, die halt dummerweise in den Köpfen von uns älteren Fans immer noch glorreich in Erinnerung ist – immer schon so. Auch in der Hogan Ära gab es reihenweise bockstarke Wrestler, die deutlich mehr drauf hatten als Hogan. Aber der war der Star, er hat verkauft, er hat Wrestling in den Medien vertreten und erst so richtig populär gemacht.
    Daher glaube ich, dass es durchaus auch heute noch möglich wäre, Heldengeschichten zu schreiben. Die klassische „Rocky“-Underdog Story zieht nach wie vor und kann beliebig abgewandelt werden. Wenn man es denn wollen würde. Denn in einer Zeit, wo für die WWE die Aktionäre deutlich wichtiger sind, als ein paar buhende Fans in der Halle, wird nur noch nach nackten Zahlen gebookt. Und die sprechen bzw sprachen einfach für Cena und jetzt für Reigns. Mit Abstrichen auch für AJ Styles, der zum Glück von allen Seiten akzeptiert wird. Er verkauft UND wird von den Smarks ob seiner Leistungen in den letzten 15 Jahren gefeiert.
    Aber wenn nicht von irgendwoher mal wieder ein Milliardär kommt, der zufällig Wrestlingfan ist und etwas aus dem Boden stampft, was halbwegs eine Konkurrenz für WWE sein könnte, dann wird sich an der ganzen Lage auch nichts mehr ändern. Ganz einfach weil es nicht notwendig ist für die WWE. Die Kohle fließt so und so.

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